Auch wenn Hühner bislang eher selten auf Listen zu sehen waren, die besonders kluge Tiere aufzählen, sind sich mittlerweile viele Wissenschaftler einig, dass sie es durchaus verdient hätten: Hühner leben in streng hierarchisch strukturierten und komplizierten sozialen Konstellationen zusammen, für die ständige Kommunikation absolut unerlässlich ist.

Aus diesem Grund verfügen sie über eine komplexe Lautsprache, mit der sie sich gegenseitig warnen, drohen, anlocken und sogar „anlügen“ können. Aber wie bei den Menschen gibt es auch für Hühner Dinge, die sich durch Gesten einfach besser ausdrücken lassen als durch Worte. Für solche Gelegenheiten verfügen Hühner über eine sehr spezifische Körpersprache, die aus bestimmten Bewegungsmustern besteht, und gerade in Auseinandersetzungen oft zum Einsatz kommt.

Auch für den Hühnerhalter kann es deshalb hilfreich sein, diese Muster erkennen und interpretieren zu können, um die soziale Dynamik innerhalb der Herde besser zu verstehen. So ist es möglich, wiederkehrende Probleme zu erkennen und im Idealfall zu vermeiden, um seinen Hühnern konstanten Stress zu ersparen.

Das Glucken

Ein Hahn gehört oft zur Huehnerhaltung dazu.Wie im Tierreich nicht unüblich, ist auch bei Hühnern mit einer Mutter, die ihre Babys beschützt, nicht zu spaßen. Eine Glucke reagiert bereits auf geringste Abweichungen vom Normalzustand mit gesträubtem Gefieder. Um ihre Küken vor Angriffen zu verteidigen, zögert sie oft nicht, sich auch mit körperlich überlegenen Gegnern, wie zum Beispiel großen Hunden, anzulegen.

Wenn sie mit ihren Küken von einer Henne höheren Ranges oder einem Hahn bedrängt wird, nimmt sie hingegen eine defensive Position ein. Dazu entfaltet sie ihre Flügel seitwärts nach unten, sträubt das ganze Gefieder, und senkt dabei den Kopf. Diese Geste dient eher der Abschreckung, und ist oft auch dadurch erfolgreich, dass sie ihr Gesicht abwendet. Dies ist bei Hühnern generell eine effektive Methode, dem Zorn eines Artgenossen zu entkommen, da Hühner ihr Gegenüber am Gesicht erkennen. Ist dieses versteckt, verlieren die Angreifer oft das Interesse.

Interessanterweise kommt es in seltenen Fällen auch vor, dass Hühner, die gar keinen Nachwuchs haben, Verhaltensmuster der Glucken an den Tag legen, um so unerwünschte Annäherungen von Hähnen zu vermeiden. Auch hier liegt also eine Form von „lügen“ zum eigenen Vorteil vor, die auf eine hohe Intelligenz schließen lässt.

Sollte eine Glucke Ihnen gegenüber eine aggressive Haltung annehmen, sollten Sie ihr am besten etwas Freiraum geben. Sie mögen zwar größer und stärker sein als ein Huhn, aber die Krallen und der Schnabel einer wütenden Mutterhenne will man dennoch lieber in sicherer Entfernung wissen.

Der Kratzfuß

Der Kratzfuß ist eine vorwiegend von Hähnen angewendete Geste der Überlegenheit. Hierfür umkreist der Hahn (oder in seltenen Fällen die ranghöhere Henne) mit halb gesenktem Kopf eine Henne oder einen rangniederen Hahn, und spreizt dabei den Flügel auf der dem Anderen abgewandten Seite so ab, dass dieser beim Laufen hörbar über das auf der Seite befindliche Bein kratzt.

Vom Hahn gegenüber einer Henne genutzt, kann der Kratzfuß außer bloßer Überlegenheitsdemonstration aber auch eine Tretabsicht bedeuten, also den Wunsch, die Henne zu begatten.

Das Flügelklatschen

Mit dem sogenannten Flügelklatschen drücken Hähne, ähnlich wie beim lautsprachlichen Krähen, Selbstbewusstsein aus. Oft tritt dieses Bewegungsmuster auch einleitend direkt vorm Krähen auf. Der Hahn lässt dafür die Rückseiten seiner Flügel mehrmals klatschend auf dem Rücken zusammenschlagen.

Dies dient augenscheinlich als eine Möglichkeit, die Aufmerksamkeit potenzieller Geschlechtspartnerinnen zu erregen: Studien zeigen, dass Hennen, die die freie Wahl zwischen zwei möglichen Partnern haben, sich fast immer für den Hahn entscheiden, der die höhere relative Schlagfrequenz aufweist.

Dieses Gebaren kann für den Hühnerhalter auf Dauer etwas enervierend sein, ist aber normalerweise kein Grund zur Sorge.

Drohen

Während Hühner ihre Drohungen üblicherweise mit einem Drohlaut unterstreichen, bleiben Hähne dabei meist stumm. Hier ist die Drohgebärde oft ein Mittel zur Demonstration der Stellung in der Gruppe. In der Ausführung sieht sie der Kratzfuß-Geste ähnlich, verzichtet jedoch auf die ausgeklappte Schwinge.

Der Hahn steht leicht seitlich zum Gegner und hebt die äußere Schulter an, während die dem Kontrahenten zugewandte Schulter leicht gesenkt wird. Der Schwanz zeigt dabei leicht in die Richtung des Bedrohten.

Eine drohende Henne hingegen richtet sich auf, hebt die Flügel am Ansatz an, während die Spitzen nach unten zeigen, und legt ihr Gefieder eng an.

Dadurch wirkt sie kantiger und eindrucksvoller. Unmittelbar vor einem Kampf spreizt sie außerdem den Schwanz und sträubt ihr Halsgefieder.

Das Flügelschwenken

Das Flügelschwenken ist eine eher unterwürfige Geste. Vor einem ranghöheren Gegenüber legt das Huhn ihr Gefieder eng an den Körper, um möglichst klein und schmal zu wirken, und wedelt beziehungsweise schwenkt zwei- bis dreimal schwach mit den Flügeln, bevor sie den Rückzug antritt. Falls notwendig wird der Bewegungsablauf wiederholt.

Das Flügelheben

Ähnlich wie das Flügelschwenken ist auch das Flügelheben eine Geste der Unterwürfigkeit. Sie kommt jedoch in dem speziellen Fall zum Einsatz, wenn ein Huhn versehentlich eine Drohhaltung in Richtung eines ranghöheren Tiers eingenommen hat.

Dies kann zum Beispiel vorkommen, wenn die Haltung eigentlich einem anderen Huhn galt, dessen Aus-dem-Weg-gehen Sichtkontakt zum Ranghöheren entstehen lässt. Es ist also eher eine Art Entschuldigungsgeste für irrtümliches Drohen, und wird normalerweise vom ranghöheren Huhn angenommen.

Mit diesem Hintergrundwissen versorgt, sollte es für Sie nun ein leichtes sein, Ihre Hühner und deren soziale Verhältnisse besser zu verstehen und ihnen so ein schöneres Leben zu ermöglichen. Wir wünschen viel Spaß beim Beobachten!