Kloakenkannibalismus – Ursachen und Maßnahmen
Hört man zum ersten Mal von Kannibalismus unter Hühnern, ist man meist etwas irritiert, weil gerade diese friedlichen Vögel oft mit einer gewissen Bauernhofidylle in Verbindung gebracht werden. Aber dieses unnatürliche Verhalten stellt ein reales Problem dar.
Die verschiedenen Formen von Kannibalismus bei Hühnern lassen sich alle unter dem Oberbegriff „Verhaltensstörung“ zusammenfassen und beschreiben damit keinen natürlichen Umgang der Hühner untereinander. Unter den Hühnerhaltern wird dieses abnormale Verhalten des Geflügels schon seit langer Zeit beobachtet und obwohl bereits Fortschritte in dessen Aufklärung gemacht worden, sind immer noch einige Aspekte dieses Fehlverhaltens unerforscht.
Um die Störung der Hühner besser zu verstehen, unterscheidet man verschiedene Kannibalismusvorstufen und -arten.
Arten von Kannibalismus unter Hühnern
Die erste Form – und somit auch das erste Warnzeichen für angehenden Kannibalismus – ist das sogenannte Federpicken. Hierbei pickt das gestörte Huhn auf das Gefieder seiner Artgenossen ein, reißt einzelne Feder heraus und frisst diese. Dabei sind meist die Regionen am Hals, Rücken, Flügeloberseiten und Schwanzansatz betroffen. Sollten Ihnen also vermehrt kahle Stellen in diesen Bereichen bei Ihren Hühnern auffallen, empfiehlt es sich die Tiere genau im Auge zu behalten, um das betroffene Huhn schnell ausfindig zu machen.
Durch verstärktes Federpicken kann es nun bei den verletzten Hühnern zu kleinen Wunden kommen. Das austretende Blut regt daraufhin das gestörte Tier zu noch stärkerem Pickverhalten an, wodurch in der Regel das Ausmaß der Verletzungen zunimmt und sich der „Blutrausch“ noch steigert.
nterformen sind hier weiterhin der Kopf- und Zehenkannibalismus. Unerwarteter weise führt das Attackieren der Zehen häufiger zum Tod der Vögel als Verletzungen an Kopf und Kamm, denn das Zehengewebe verheilt äußerst langsam und so verbluten betroffene Hühner regelmäßig unter den Schnabelattacken ihrer Artgenossen. Aus verschiedenen Beobachtungen ging hervor, dass gerade weiße Legehybridhennen sich des Öfteren auf die Zehen fokussieren.
Braune Legehybriden hingegen sind prädestiniert für den sogenannten Kloakenkannibalismus. Diese Form bezeichnet ein starkes Picken auf die Kloake eines Artgenossen. Beobachtungen haben gezeigt, dass dies hauptsächlich während der Eiablage geschieht, weil dabei der rötliche Legedarm der Henne sichtbar wird und das gestörte Huhn zum Picken anregt.
Auch hier steigern sich die Verletzungen mit der Zeit, bis schließlich das verwundete Huhn über die Kloake ausgeweidet bzw. gefressen wird.
Für Hühnerhalter ist es also empfehlenswert, allgemein wachsam zu sein und sich über die wahrscheinlichsten Störungen der gehaltenen Art zu informieren, um Warnzeichen frühestmöglich zu erkennen.
Tipp: Wird ein solches bei einem oder mehreren Hühnern der Gruppe entdeckt, so ist es enorm wichtig, die bestehenden Ursachen für dieses Verhalten zu eliminieren, um eine weitere Ausbreitung der Störung zu verhindern.
Ursachen für den Kloakenkannbalismus
Für Kloakenkannibalismus gibt es zahlreiche Gründe und meist sorgt das Zusammenwirken verschiedener Faktoren für die Ausprägung dieser Verhaltensstörung. Dennoch kann man die Ursachen in krankheits- und haltungsbedingte Einflüsse unterteilen.
Beispielsweise können Spulwürmer Kloakenkannibalismus herbeiführen, aber auch Coliinfektionen, Kokzidiosen oder eine Infizierung mit Mykoplasmen sind als Ursachen möglich. Um diese schnellstmöglich als Grund zu erkennen oder auch auszuschließen, ist es ratsam eine Kot- oder auch Blutprobe vom Tierarzt untersuchen zu lassen.
Bei den haltungsbedingten Ursachen gilt vor allem Licht als starker Einflussfaktor auf den Kloakenkannibalismus, denn dieses begünstigt den auffälligen Rotton des Legedarms und animiert die Hühner darauf einzupicken.
Darum sollten Sie vor allem an den Legeplätzen für ausreichende Abdunklung sorgen und direkte Sonneneinstrahlung oder sogar künstliches Licht im Stall vermeiden.
Außerdem sollte im Stall unbedingt darauf geachtet werden, dass nicht zu viele Tiere darin untergebracht sind.
Ein solcher Platzmangel kann die Bewegungsfreiheit der Hühner einschränken und somit aggressives Verhalten fördern. Weiterhin muss für ausreichende Beschäftigung gesorgt sein, denn mangelnde Abwechslung fördert ebenfalls diese Verhaltensstörungen.
Eine direkte Folge von fehlendem Auslauf ist ein schlechteres Stallklima, da durch die zu hohe Anzahl der Tiere der Ammoniakgehalt der Luft auf Grund von zu feuchter Einstreu oder zu hohen Temperaturen schnell ansteigt.
Gegen diese Ursachen kann man mit einer artgerechten Haltung vorbeugen. Für Sie bedeutet das vordergründig den Stall abzudunkeln, regelmäßig die Streu zu wechseln und für ausreichend Platz und Beschäftigung zu sorgen.
Tipp: Bei der Fütterung sollte auf eine ausreichende Versorgung der Tiere mit Magnesium und Eiweiß geachtet werden. Außerdem sollte das Futter weder zu fein strukturiert noch verunreinigt sein.
Maßnahmen zur Einschränkung und Bekämpfung des Kannibalismus
Sollten Sie Anzeichen von Kannibalismus unter Ihren Hühnern entdecken, so müssen die verhaltensgestörten Exemplare schnellstmöglich von den verletzten Hühnern getrennt werden. Hierbei ist es leider sehr wahrscheinlich, dass sich die von Kannibalismus befallenen Hühner weiterhin gegenseitig verletzen werden, aber Sie schützen damit vorerst die verletzten Hühner vor größeren Wunden.
Sind beide Gruppen von einander separiert, sollten sie umgehend mit der Ursachensuche beginnen und mögliche Auslöser im Umfeld beider Gruppen eliminieren.
Hierbei gilt es zu beachten, dass selbst nach dem Beseitigen aller Ursachen erst nach Abheilung der Wunden die Gruppen wieder zusammengeführt werden sollten. Bei schwerwiegenden Verletzungen können Sie Mittel zur Wunddesinfektion auftragen, aber dabei empfiehlt es sich zuvor den Rat eines Tierarztes einzuholen.
Des Weiteren sind im Handel auch Kloakenpräparate erhältlich, die nach dem Auftragen den Rotton des Legedarms überdecken und somit diese Reizquelle beseitigen. Auch sogenannte Kannibalsprays können mit ihrem abstoßenden Geruch die verletzten Tiere vor weiteren Übergriffen ihrer gestörten Artgenossen schützen.
Trotz dieser Behandlungsmöglichkeiten ist eine grundlegende Ursachensuche und -bekämpfung unerlässlich. Zunächst sollten Krankheiten ausgeschlossen oder behandelt werden, danach ist eine Überprüfung von Stallklima, Licht und Futter nach den oben genannten Faktoren empfehlenswert.
Tipp: Außerdem kann ein roter Anstrich der Stallfenster helfen, weil dadurch zum einen der Innenraum abgedunkelt wird und zum anderen blutende Verletzungen von den anderen Hühnern nicht mehr als solche wahrgenommen werden und somit auch kein Störverhalten mehr auslösen.
Sollte auf eine Stallbeleuchtung nicht verzichtet werden können, so dürfen auf keinen Fall Niederfrequenz-Leuchtstoffröhren dafür verwendet werden. Am besten eignet sich ein rötliches Licht, da dieses den gleichen Effekt wie die bestrichenen Fenster erzielt.
Als besonderer Ausgleich für Ihre Tiere bieten sie kleinere Spielereien wie unterschiedliche Streu oder abwechslungsreiche Fütterungen an. Dies sorgt für mehr Beschäftigung und sollte die meisten Hühner davon abhalten, ihre Artgenossen zu attackieren.
In großen Hühnerzuchten wird häufig eine etwas radikalere Methode verwendet, um die Vögel am Kannibalismus zu hindern – das Stutzen der Schnäbel im Kükenalter.
Dieses Vorgehen ist allerdings moralisch gesehen fragwürdig, da es Auswirkungen auf die Lebensqualität der Tiere mit sich bringen könnte.
Leider gelingt es trotz aller Bemühungen nicht immer die Harmonie im Stall wiederherzustellen. Sollten Sie Hühner besitzen, die – allen Maßnahmen widerstehend -unter Kannibalismus leiden, kann man die Tiere oft nur noch notschlachten, da sie in Gesellschaft anderer Hühner immer eine Verletzungsgefahr für diese darstellen werden.
Allgemein lässt sich Kannibalismus unter Hühnern durch aufmerksame Haltung frühzeitig an Anzeichen wie Federpicken erkennen und durch relativ einfache Gegenmaßnahmen bekämpfen und eindämmen.